8 - Monats - Update

Hallöchen,

mal wieder ist es Zeit für ein monatliches Update aus meinem Freiwilligendienst.

Auch im letzten Monat habe ich wieder verschiedene kleinere Ausflüge unternommen. So war ich beispielsweise von Cuenca aus mit einigen Freiwilligen bei einem Wasserfall in Girón. Links ist ein Wasserfall in Saraguro zu sehen, bei dem ich ebenfalls letztens an einem Nachmittag war.

Außerdem bin ich mit einem Freund aus Saraguro auf den Berg "Puglla" gewandert. Dieser Berg ist auf einer Höhe von 3.300 Metern und hat für die Menschen hier eine große Bedeutung. Berge, Lagunen oder Wasserfälle sind in der andinen Kosmovision sehr wichtig und sie werden ähnlich wie Götter oder Lebewesen behandelt und verehrt. Daher finden an solchen Orten auch oft Zeremonien oder Rituale statt. Diese Nähe zur Natur gefällt mir unfassbar gut und ich habe die Wanderung und den Ausblick (mit Regenbogen!) sehr genossen.


Ein besonderes Event, das es nur hier in Saraguro gibt, ist die "Supalata", die am 1. April stattfand. So wie ich das verstanden habe, ist es eine Tradition, um für die Ernte und Fruchtbarkeit der Erde zu danken und um das Leben in Harmonie mit der Mutter Erde zu feiern. 
Die teilnehmenden Personen verkleiden sich als verschiedenen Figuren. Eine davon ist zum Beispiel die "Mamá Supalata". Sie wird von einem Mann verkörpert, der sich als Frau verkleidet. Einige Frauen verkleiden sich auch als Männer, andere binden sich ein Tuch um das Gesicht oder verkleiden sich anders. Diese Gruppe geht am Abend der Supalata von Haus zu Haus, wo sie dann tanzt und "supalata supalata" ruft. Typischerweise bekommt die Gruppe dann in den Häusern Tamales und Colada de Zambo von den Besitzer*innen geschenkt. Ein Tamal ist eine Art Gebäck, das aus einem einem Teig aus Maismehl besteht. Dieser Teig ist in ein Blatt eingewickelt und wird dann dampfgegart. Meist sind Tamales mit Käse oder Hühnchen gefüllt. Colada de Zambo ist ein Getränk aus der Frucht Zambo, Milch und verschiedenen Gewürzen wie Zimt. 

Geben die Hausbesitzer*innen dann also diese Speisen, lässt die Gruppe zum Dank Mais- oder Zambosamen da, damit die Ernte im nächsten Jahr wieder gut ausfällt.
Sollte die Tür nicht geöffnet oder kein Essen gegeben werden, kündigt die Gruppe schlechte Ernte für die nächste Saison an. Dabei lässt sie Samen da, die von Schädlingen befallen sind. 
Neben der Dankbarkeit für die Ernte sind bei der Tradition der Supalata auch Werte wie das Teilen in der Gemeinschaft beziehungsweise die Gegenseitigkeit in der Comunidad von Bedeutung. 

Ich habe am Abend der Supalata auch mit meiner Familie sehr viele Tamales und Colada de Zambo zubereitet. Danach bin ich selbst in einer Gruppe von meiner Comunidad mitgelaufen. Auch wenn wir nur an wenigen Häusern waren, war es schön, an dieser besonderen Tradition teilnehmen zu können.

Auch in der Schule hatten wir einen Tag vorher Supalata gefeiert und Tamales gemacht. Das Besondere dabei war für mich, jeden Arbeitsschritt mitzubekommen.  Schon einige Tage vorher begannen wir nämlich, Mais mit Asche zu kochen, damit sich die Schale leicht ablöst. Danach wird er gewaschen und so gerieben, dass die Schale ganz abgeht. Dieser gepellte Mais wird dann mit einer Mühle zu Maismehl gemahlen, das dann zu dem Teig der Tamales weiterverarbeitet werden kann. Dadurch, dass ich diesen langen Prozess erleben konnte, konnte ich den fertigen Tamal dann viel besser wertschätzen. Dazu muss man aber sagen, dass der Mais hier ein andere ist als der, den ich aus Deutschland kenne.


Die "semana santa" (Heilige Woche = Karwoche) habe ich in Saraguro verbracht. Ähnlich wie an Weihnachten ist es so, dass sich hier die katholischen und indigenen Traditionen vermischen. 

Während der Karwoche gab es an verschiedenen Orten Feste, die jeweils im und am Haus der Person stattfinden, die sich für die Festlichkeiten verantwortlich erklärt hat. Diese sogenannten "alumbradores" sind dann auch täglich vom Fest aus zum Gottesdienst und danach wieder zurück geritten. Ich war an Gründonnerstag und Ostern auch in der Kirche. Das ist immer eine schöne Erinnerung an Zuhause, weil die Gottesdienste sehr ähnlich sind.

Am Gründonnerstag war ich mit den Lehrer*innen und mit meiner Gastfamilie auf dem Fest, um dort zu essen. Es gab Suppen mit Reis oder Bohnen, die, wie alle Lebensmittel und Getränke auf Festen in den Comunidades hier, kostenlos waren.
Das geht nur, weil viele Mitglieder*innen der Comunidad mit Geld, Essen oder Mithilfe beim Fest unterstützen. So sorgen alle, die die Möglichkeiten dazu haben, mit einem kleinen Aufwand dafür, dass die gesamte Comunidad am Fest teilhaben kann.
Außerdem gab es am Donnerstag auch wieder Zuckerrohrsirup mit Brot, was an alle ausgeteilt wurde. 
Bei Festen gibt es immer so viel Essen, dass alle Schüsseln oder Dosen mitnehmen, um das, was man nicht geschafft hat, mit nach Hause zu nehmen. Das ist keinesfalls unfreundlich, sondern sogar so gewollt. Es gibt für die extra dafür mitgebrachten Gefäße sogar ein Wort: "La Wanllina".
So gingen wir am Donnerstag beispielsweise mit mehreren Litern Suppe und einer ganzen Milchkanne voll mit Zuckerrohrsirup zurück.
Am Karfreitag aß ich Fanesca mit der ganzen Familie. Das ist eine Suppe, die immer am Karfreitag gegessen wird. Danach gab es noch Fisch und ein Getränk mit Milch.


Am Samstag und am Ostersonntag waren einige deutsche und österreichische Freiwillige aus Cuenca hier bei mir zu Besuch. Ich zeigte ihnen Saraguro und wir gingen zusammen auf die Feste, wo wir Caldo aßen und auch ein bisschen tanzten. Caldo ist eine typische Rinderbrühe, die meist mit Reis oder Yuca serviert wird. 

Am Ostersonntag war im Zentrum sehr viel los. Es gab eine Prozession und es tanzten die "trompeteros". Das sind verkleidete und maskierte Personen, die mit Trommeln tanzen (siehe Bild rechts).
Insgesamt war Ostern ein sehr schönes Fest. Ich habe ich mich am Ostersonntag total gefreut, so viele Menschen von meiner Familie oder meiner Comunidad hier im Zentrum zu treffen. Außerdem habe ich es sehr genossen, Besuch von den anderen Freiwilligen zu haben, die inzwischen auch echt gute Freundinnen von mir geworden sind. Ihnen hat Saraguro auch sehr gut gefallen, was mir erneut gezeigt hat, dass ich echt dankbar sein kann, hier leben zu können. Besonders gefreut habe ich mich darüber, dass zwei der Freiwilligen Schokoladenostereier für uns mitgebracht und versteckt haben. So konnten wir hier auch ein bisschen nach deutscher Ostertradition feiern.

In der Schule läuft weiterhin alles gut und ich unterstütze die Lehrer*innen im Unterricht. Mal gibt es mehr zu tun, zum Beispiel wenn eine*r der Lehrer*innen fehlt und an anderen Tagen fühle ich mich auch mal weniger gebraucht. Egal wie, macht es mir aber generell viel Spaß mit den Kindern zu arbeiten und man kriegt auch einiges zurück. 

So war letztens zum Beispiel der nationale "Día del Maestro" (Tag des Lehrers), an dem die Kinder Karten und kleine Geschenke für die Lehrer*innen gebastelt und übergeben haben. Ich habe auch viele sehr schöne Karten oder kleine selbstgemachte Geschenke bekommen, worüber ich mich total gefreut habe. Am Nachmittag war ich mit allen Lehrer*innen Billard spielen und essen. Am darauffolgenden Tag hatten außerdem die Eltern noch ein Essen und Spiele für die Lehrer*innen vorbereitet.
Neben dem normalen Unterricht machen wir immer wieder auch Projekte oder Ausflüge. So machten wir zum Beispiel letztens eine Wanderung zu einem Wasserfall oder bereiteten einen Kuchen zu. Außerdem haben die Kinder alle zwei Küken geschenkt bekommen, die sie jetzt zu Hause großziehen sollen. Eins davon dürfen sie dann behalten, das andere wird verkauft, wobei der Erlös der Klasse zugute kommt. So sollen die Kinder neben Verantwortungsbewusstsein auch lernen, wie man sich von dem gewonnen Geld zum Beispiel neue Tiere kaufen kann, die man dann wieder verkauft und so einen eigene kleine Einnahmequelle aufbaut. 

In meiner freien Zeit habe ich außerdem angefangen, jeden Mittwoch in einer Kinderbetreuung auszuhelfen, wo ich den 2 - 6 jährigen Kindern dort spielerisch Englisch beibringe. Das ist total schön, weil es mir Spaß macht, auch mal mit kleineren Kindern zu arbeiten.
Ansonsten genieße ich es weiterhin in meiner Freizeit sehr, an den Abenden Voley zu spielen. Außerdem habe ich einen Kichwakurs begonnen, an dem ich jetzt drei Mal wöchentlich online teilnehme. Inzwischen kann ich schon einfache Sätze bilden. 
"Ñuka Saraguropi kawsani" heißt zum Beispiel "Ich wohne in Saraguro". 
Oder "Ñuka allkuwan pukllani" bedeutet "Ich spiele mit dem Hund".
Es ist spannend, Kichwa zu lernen, weil sich Wörter, Klang und Satzbau so sehr von allen anderen Sprachen unterscheiden, die ich bisher gelernt habe und ich hoffe, dass ich nach dem Kurs zumindest einfache Gespräche führen kann.



In meiner Gastfamilie geht es mir weiterhin gut. In den letzten Wochen haben wir die Geburtstage von meinem Gastvater und meinem Gastbruder Santiago gefeiert. Das waren immer schöne Momente in der Familie. An Santiagos Geburtstag haben wir auf der Motorradstrecke mit Freunden und Familie gefeiert. Dort trainiert er immer Motorcross. Zusammen mit der ganzen Familie überraschten wir ihn dort mit einem Essen, das wir auf dem Feuer zubereiteten. Den Abend ließen wir dann dort bei Musik, Kuchen, Lagerfeuer und einem traumhaften Sternenhimmel ausklingen.


Saraguro fühlt sich immer mehr nach einem Zuhause an und so langsam ist es für mich nicht mehr nur dieses "Abenteuer Freiwilligendienst", dass es am Anfang war. Im Moment merke ich, dass das hier wirklich zu einem Leben und einem Alltag geworden ist und sich vieles normalisiert hat. Das klingt vielleicht negativ, ist aber eher positiv gemeint, denn es ist ein schöner Alltag mit vielen Freiheiten und besonderen Momenten. 
Gerade weil sich jetzt alles so gut eingespielt hat und ich inzwischen an so vieles hier gewöhnt bin, ist es im Moment kaum vorstellbar, wieder zu gehen. Ich werde auf jeden Fall versuchen, jetzt, wo ich noch ganze vier Monate habe, noch nicht zu sehr an den Abschied zu denken und die Zeit zu genießen.

Kommentare

  1. Hallo liebe Hanna, weiterhin spannend und lehrreich, Deinen Blog zu verfolgen. Ganz toll, dass Du jetzt diese noch weiter positive Weiterentwicklung hast, komplett eingelebt und (fast) wie zuhause. Du wirst sehr viel mitnehmen - auch durch diesen Blog als unschätzbar wertvolle Erinnerungen. Freut mich ungemein für Dich. Weiterhin alles Gute! Georg

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