Kapak Raymi, Weihnachten, Silvester
in diesem Blogartikel geht es darum, wie ich Kapak Raymi, Weihnachten und Silvester verbracht habe. Informationen zu meinem Alltag oder anderen Aktivitäten kommen dann im nächsten Blog wieder.
Während eines Jahres gibt es im andinen Kalender vier große Feste, die vier „Raymis“, die jeweils im Abstand von drei Monaten gefeiert werden. Am 21. Dezember feierten wir „Kapak Raymi“ („Fest der Anfüher*innen). Dabei werden die Präsident*innen oder Leiter*innen in der Comunidad besonders geehrt und wertgeschätzt. Dazu gehören auch Schülersprecher*innen, Schulleiter*innen, Elternsprecher*innen oder andere Menschen, die Verantwortung für eine bestimmte Gruppe übernehmen und sie führen und leiten.
Schon am Morgen dieses Tages trafen wir uns um vier Uhr, um ein traditionelles Reinigungsbad durchzuführen. Dabei wuschen wir uns mit dem Wasser, das aus einer Lagune hier in der Nähe stammte. Ich finde das ein sehr schönes Ritual und mir gefällt die Symbolik und das Gemeinschaftsgefühl, das dabei entsteht.
Generell sind die Weihnachtstraditionen hier in Saraguro etwas ganz Besonderes und unterscheiden sich deutlich vom Weihnachten, wie es an anderen Orten Ecuadors gefeiert wird.
Es gibt sogenannte „markan taytas“, die die großen Weihnachtsfeste organisieren. Diese Feste finden dann auch bei ihnen zu Hause statt. Schon am 22. Dezember machte ich mich abends mit meiner Gastfamilie zum Haus eines markan taytas auf, wo die verschiedenen Tänzer*innen ein Reinigungsbad machten, um bereit für die Weihnachtsfeste zu sein. Die Tänzer*innen spielen bei den Festen hier eine große Rolle. Sie verkleiden sich als bestimmte Figuren, die alle besondere Eigenschaften, Kostüme und Tänze haben.
Die „Sarawis“ (links) sind Tänzer*innen, die meist von jüngeren Kindern verkörpert werden. Sie tragen wunderschöne Kleidung und viel Schmuck in den Haaren und am ganzen Körper.
Die „Ajas“ (rechts) bestehen auf dem ersten Blick nur aus Haaren. Ihr Kostüm wiegt sehr viel und wird aus einer Pflanze hergestellt, die im Regenwald wächst.
Nachdem sich diese Figuren am 22.12. nachts also auf die Feste einstimmten, ging es am 23.12. bereits mit den Feiern los. Insgesamt war ich vom 23. bis 26. Dezember, also vier Tage hintereinander, jeden Tag mit meiner Gastfamilie auf dem Fest. Dort gab es Essen im Überfluss. Zuerst habe ich mich gefragt, wie es möglich sein soll, so viel zu essen, wie man angeboten bekam. Später verstand ich aber, dass es üblich ist, das Essen in mitgebrachten Schüsseln und Töpfen mit nach Hause zu nehmen, um an den darauffolgenden Tagen noch davon zu essen. Auch Chicha (ein bierartiges Getränk aus fermentiertem Mais, das schon von den Inkas getrunken worden sein soll) gab es reichlich. Neben Essen und Trinken konnte man auch die Tänze der Figuren anschauen. Außerdem waren auch hier wieder die "castillos" aufgestellt, die bestiegen werden müssen, um an die Süßigkeiten, Getränke oder Früchte zu kommen.
Am 24.12. wurde neben dem anderen Essen massenweise Honig (aus Zuckerrohr) mit Brot und Käse ausgeteilt. Und „massenweise“ Honig ist keine Übertreibung, denn am Ende nahm jeder mehrere Töpfe voll Honig mit nach Hause.
Ich habe auf den Festen ein paar Leute kennengelernt, mit denen ich dann die meiste Zeit zusammen war. In manchen Momenten fühlte ich mich aber auch ein bisschen allein, wenn ich niemanden kannte und nicht wusste, wo meine Gastfamilie gerade ist.
Generell waren es aber wunderschöne Tage mit vielen Eindrücken und da das Weihnachtsfest so anders gefeiert wurde und dadurch gar nicht richtig mit dem Weihnachten in Deutschland zu vergleichen war, hatte ich auch kaum Anlass zu Heimweh.
Was ich bei den Festen hier immer ganz besonders finde, ist, dass sowohl Essen als auch Getränke kostenlos sind. Das funktioniert, da viele Familien und Privatpersonen sich durch Lebensmittel oder finanzielle Unterstützung beteiligen. So kann jeder ausgelassen mitfeiern und das Fest in vollen Zügen genießen.
Außerdem war es interessant, wie sich an Weihnachten die katholischen, aus der Kolonialzeit kommenden und indigenen Traditionen und Kulturen mischen. Schon allein, dass Weihnachten gefeiert wird, zeigt ja die deutlichen Einflüsse der Kirche und es gab auch mehrere Weihnachtsgottesdienste. Dazu kommt, dass das Jesuskind auch mehrmals feierlich in einer großen Prozession zur Krippe des Fests oder wieder in die Kirche zurückgebracht wurde. In diesen Prozessionen, vor und auch in der Kirche waren stets auch die verschiedenen Tänzer*innen in ihren Verkleidungen anwesend. Insgesamt ist es also eher eine Mischung zwischen den indigenen und katholischen Traditionen.
Für mich war es schön, den Weihnachtsgottesdienst zu erleben, weil es zu meinem gewohnten Weihnachtsfest dazugehört und deshalb trotz der vielen Unterschiede ein kleines Stück Heimat war.
Während der verschiedenen Feiern und Festtage habe ich auch die typische Kleidung der Saraguros angehabt, die ich mir inzwischen selbst gekauft habe. Zu Beginn meines Jahres hier war ich mir unsicher, ob es eine gute Idee ist, die Tracht einer Kultur anzuziehen, die nicht meine ist. Ich dachte an die Debatte um „kulturelle Aneignung“ und wusste nicht, ob manche Leute womöglich wütend sind, wie ich es als weiße Europäerin wagen kann, mich als Indigene zu kleiden.
Allerdings habe ich schnell gemerkt, dass die Realität hier anders aussieht. Die Menschen schienen sich zu freuen, wenn sie sahen, dass ich die Tracht trage. Zudem ist es für mich ein Weg, meinen Respekt und meine Anerkennung der Kultur gegenüber zu zeigen und mich auch vom Äußeren her ein bisschen mehr zu integrieren. Es war also immer eine schöne Erfahrung, in der Tracht zu sein und ich fühlte mich dadurch mehr als Teil der Gemeinschaft. Über so kleine Kommentare wie „Hola indígena“ meines Gastvaters freute ich mich dann umso mehr.
Damit ihr euch ein bisschen mehr unter den Verkleidungen, den Prozessionen und den verschiedenen Figuren vorstellen könnt, habe ich euch hier noch ein Video (von Weihnachten 2021) verlinkt. Hier kommt, finde ich, auch die Freude und Emotion rüber, die die Tänzer*innen ausstrahlen.
Für Silvester war ich mit einigen anderen Freiwilligen in Puerto López an der Küste Ecuadors. Wir verbrachten auch die Tage davor schon mit Ausflügen, Surfen, Schwimmen, Lesen und gutem Essen. An einem Tag machten wir eine Tagestour zur „Isla de la plata“. Diese Insel ist angeblich von Flora, Fauna und Landschaft her ähnlich wie die Galapagos-Inseln. Dort beobachteten wir Vögel und gingen schnorcheln, wobei wir große Schildkröten und bunte Fische sehen konnten.
Am Silvesterabend aßen wir abends gemeinsam Wraps im Hostel. Danach gingen wir an den Strand, wo wir bei schönem Feuerwerk und Meeresrauschen das neue Jahr begrüßten. Außerdem ist es hier üblich, Papierfiguren an Silvester zu verbrennen. Diese können die Form von Tieren, Superhelden, Politikern oder bekannten Personen haben. Das Verbrennen steht für einen Neuanfang und soll Glück für das neue Jahr bringen.
Nach diesem Urlaub war ich jetzt also schon in allen drei Zonen, die Ecuador auf dem Festland zu bieten hat. Es ist wirklich unglaublich, wie man nach verhältnismäßig sehr kurzer Reisezeit einen so riesigen Wechsel in Landschaft, Klima, Flora und Fauna hat. Jemand erklärte es mir mal so: „Man kann hier an einem Tag an der Küste frühstücken, in der Sierra zu Mittag und im Regenwald zu Abend essen.“ Ich bin mehr als begeistert von den verschiedenen Zonen und ihrer unfassbaren Vielfalt.
Nach diesen Festtagen und dem Urlaub an der Küste ist bei mir jetzt aber erst einmal Arbeiten angesagt. Ich freue mich aber auch auf den Alltag in Saraguro. Der nächste Urlaub ist bisher nicht geplant. Mitte Februar ist aber bereits schon das Zwischenseminar meiner Organisation angesetzt. Auch in Saraguro wird es nicht langweilig werden, weil ständig neue Feiern wie Karneval oder Stadtfeste stattfinden werden. Davon berichte ich dann, wenn es soweit ist.
Liebe Grüßeee :)
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