Eine Woche Cuenca
Das Seminar mit den anderen Freiwilligen aus Österreich und
Deutschland ließen wir am letzten Abend am Lagerfeuer mit Ukulele und
Gesang ausklingen. Der Sternenhimmel an diesem Abend war so, wie ich es mir
hier auf der Höhe erhofft hatte. Die Milchstraße war gut sichtbar und ich habe
sogar eine Sternschnuppe gesehen.
Am darauffolgenden Tag fuhren wir gemeinsam nach Cuenca, wo
wir von unseren Gastfamilien abgeholt wurden. Die meisten anderen Freiwilligen
werden ihr Jahr in Cuenca verbringen, während ich hier nur für eine Woche bin.
Schon vorher wusste ich, dass ich meine Gastfamilie gleich an diesem Samstag
auf eine Hochzeit begleiten werde. Kaum kam ich also im Haus an, machte ich
mich für die Feier fertig. Auf die Frage, wann wir losgehen werden, antwortete
mir meine Gastmutter mit „ahorita“ (Verniedlichung von jetzt). Ich habe aber inzwischen gelernt, dass dieser Begriff durchaus dehnbar ist, da es seit diesem
Zeitpunkt noch mindestens eine Stunde bis zu unserem Aufbruch dauerte.
Die Trauung fand in einer Kirche im Zentrum Cuencas statt. Nach dem Gottedienst wurden beim Hinauslaufen des Brautpaares nicht nur Blumen auf den Weg gelegt, sondern
auch Reis auf das Brautpaar geworfen. Diese Tradition kannte ich noch nicht.
Der Reis steht hierbei für die Fruchtbarkeit in der Ehe.
Cuenca - Catedral de la Inmaculada Concepción |
Nach dem Gottesdienst liefen meine beiden Gastgeschwister, die
18 und 24 sind, mit mir durch die Innenstadt Cuencas und zeigten mir den „Parque
Calderon“. Das ist der Platz vor der großen Kathedrale, die Cuencas Wahrzeichen
ist.
Danach gingen wir auf das Hochzeitsfest, das etwas außerhalb der Stadt
stattfand. Der Festsaal war feierlich geschmückt mit großen Blumen auf jedem
Tisch, goldenen Tellern und schönen Lichtern. Zuerst gab es kleine Brötchen mit
einem Dip, der typisch für hier ist. Danach gab es Cannelloni, die mit
Champignons gefüllt waren und als Hauptgericht wurden zwei Fleischsorten, eine
Kartoffelkrokette, Salat und Reis serviert. Zum Nachtisch gab es ein Stück
Kuchen.
Außerdem überredete mich meine Gastfamilie, „Espumilla“ zu probieren.
Das ist eine Creme aus Eiweiß, Zucker und einer Frucht, wie zum Beispiel Guaven. Sie wird auf
einer Eiswaffel gegessen. Dieses Gericht gibt es hier auch überall auf der
Straße zu kaufen und ist wirklich zu empfehlen.
Nachdem das Brautpaar mit einem schönen Tanz bei Feuerwerk und
Nebel aus der Nebelmaschine die Tanzfläche eröffnet hatte, ging es direkt los. Fast alle
Gäste kamen nach und nach auf die Tanzfläche und tanzten zu einer bunten
Mischung verschiedener lateinamerikanischer Musikrichtungen. Auch ich wurde
schnell von Familienmitgliedern auf die Tanzfläche aufgefordert und probierte
mich im Tanzen. Allerdings wurde nicht nur in Paaren getanzt. Viele Menschen bewegten
sich auch in kleinen Gruppen zur Musik, was mich ein bisschen erleichtert hat,
da ich keinen lateinamerikanischen Tanz beherrsche. Später dann tanzte ich noch mit dem Vater der Braut, der auch ein guter Freund meines Gastvaters
ist. Er erklärte mir immer wieder: „la música se siente en el alma“, also „die
Musik wird in der Seele gefühlt“. Da er sich so oft wiederholen musste, glaube
ich, dass ich die Musik noch nicht ganz nach seinen Erwartungen fühlen konnte. Ich fand aber, es klappte überraschend gut, auch wenn da sicher noch sehr viel
Potenzial nach oben ist. Beim Beobachten der anderen Tänzer wurde mir aber klar, was er meinte. Es war schön zu sehen, wie die meisten Menschen auf der Tanzfläche die Musik beim Tanzen
fühlen und wie viele Emotionen sie dabei ausdrücken.
Trotzdem gab es aber, genau wie in Deutschland auch, Menschen, die sich nicht auf der Tanzfläche blicken ließen. Doch das war hier eher die Ausnahme.
Blick vom Haus der Großeltern |
Mandarinenbaum |
Für mich war das irgendwie total neu, so viele Früchte einfach
in der Natur zu sehen und ich finde es einen sehr schönen Gedanken, dass fast
alles, was hier gegessen wird, auch hier wächst.
Später hat mir mein Gastbruder weitere Früchte gezeigt, die
hier wachsen. Außerdem haben wir darüber geredet, dass Früchte in Deutschland
viel teurer und größtenteils importiert sind.
Nach diesem Gespräch ging mir einiges dazu durch den Kopf.
Für mich ist es „normal“, dass die Früchte, die in Deutschland nicht wachsen (also die meisten Früchte), von Deutschland importiert werden. Aber ist es nicht eigentlich viel „normaler“, dass man die Früchte isst, die in seiner Umgebung wachsen? Es war für mich etwas Besonderes, dass hier alles aus dem Umkreis kommt, obwohl es eigentlich viel naheliegender ist als alles aufwändig zu importieren. Dennoch tendiere ich automatisch dazu, das, was ich kenne, erst einmal als völlig "normal" zu betrachten und alles andere als "unnormal" zu sehen.
An diesem Beispiel habe ich gemerkt, dass vielleicht nicht alles so normal ist oder so viel Sinn ergibt, was ich bisher als ganz selbstverständlich angesehen habe. Auch wenn ich in Deutschland nicht komplett auf importierte Früchte oder allgemein Produkte aus dem Ausland verzichten wollte, war es für mich spannend mal die Perspektive zu wechseln und zu sehen, dass es auch anders sein kann.
Am Montag hatte ich das erste Mal Sprachkurs. In dieser Woche
werde ich jeden Tag zwei Stunden Spanischunterricht nehmen. Die Lehrerin ist echt super und
es macht Spaß, Neues über die Sprache und auch über das Land zu lernen. Leider merke
ich dabei aber auch, wie viel ich noch falsch mache und wie oft sie mich verbessern
muss. Aber dafür gehe ich ja hin und das wird sich sicher schnell verbessern in
der nächsten Zeit.
Dienstags bin ich mit meiner Gastmutter etwa 45 Minuten Auto gefahren, um in einem Dorf hier in der Nähe, Sachen einzukaufen. Auf dem Rückweg fing es langsam an zu dämmern und es regnete schon den ganzen Tag. Beim Rausfahren aus dem Dorf hielten wir an einem kleinen Stand an der Straße, wo eine Frau Tortillas aus Maismehl auf einem Feuer grillte. Davon haben wir einige gekauft und sie auf der Rückfahrt gegessen.
Ich saß also im Auto und sah die Berglandschaft und die kleinen Dörfer. Es wurde langsam dunkel, sodass irgendwann überall nur noch Lichter waren. Ich aß meinen warmen Maistortilla, der durch das Feuer ein richtig gutes Grillaroma hatte und draußen tropfte der Regen an die Autoscheibe. Ich weiß nicht wieso, aber das war so ein schöner Moment.
Außerdem unterhielt ich mich auf der Rückfahrt noch mit meiner Gastmutter über politische Themen. Überraschenderweise kam ich dabei ganz gut mit meinem Spanisch zurecht.
Am Mittwoch waren meine Highlights, dass ich bei meiner Sprachlehrerin einen Kolibri in freier Natur gesehen habe, der ans Fenster kam um Sirup zu trinken. Außerdem durfte ich bei ihr einen alkoholfreien Canelazo probieren und auch gleich eine Portion für meine Gastfamilie mitbringen. Canelazo ist ein heißes Getränk, das ähnlich wie Glühwein mit verschiedenen Gewürzen gekocht wird. Darunter sind beispielsweise Zimt, Nelken, naranjillas und panela (verkochter Zuckerrohrsaft). Nach dem Unterricht bin ich heute das erste Mal alleine mit dem Bus nach Hause gefahren, worauf ich echt ein bisschen stolz bin, weil das hier gar nicht so einfach ist, wenn man es nicht gewohnt ist. Abgesehen davon, dass ich den richtigen Weg finden musste, muss man den Bus hier an die Haltestelle herankwinken, da er sonst nicht hält. Auch beim Aussteigen muss man schnell sein, weil der Bus oft noch bei offener Tür weiterfährt. Es hat aber alles gut geklappt.
Mercado de flores - Blumenmarkt |
Insgesamt geht es mir sehr gut. Was ich im Moment ein bisschen vermisse, ist aber die Wärme in Deutschland. Hier ist es im Haus relativ kalt und auch tagsüber trage ich oft eine Jacke. Das liegt einerseits an der Höhe, aber laut meiner Gastfamilie ist es gerade auch einfach etwas kälter als sonst hier.
Am Sonntag geht es für mich los nach Saraguro, wo ich meine "eigentliche" Gastfamilie für das Jahr kennenlerne. Am Montag stelle ich mich dann bei der Schule vor und habe auch schon gleich meinen ersten Arbeitstag. Ich bin schon sehr gespannt, wie das wird.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen