¡Bienvenidos a Ecuador!
Hallo ihr Lieben,
Wenn ich hier von Ecuador berichte, dann ist das natürlich
immer ein subjektiver Bericht, der nur beschreibt, wie etwas auf mich gewirkt
hat. Die gleiche Situation könnte auf andere Freiwillige verschieden gewirkt
haben und würde wohl von anwesenden Ecuadorianer*innen nochmals ganz anders
beschrieben werden.
Ohne es aktiv zu steuern, betrachte ich alles aus meiner Sicht,
die von meiner Herkunft, meinen Privilegien, meinem Geschlecht und ganz vielen
anderen Faktoren geprägt ist. Diesen Filter kann ich nicht einfach so ablegen,
aber ich kann ihn mir und euch bewusst werden lassen. Was ich hier erzähle,
kann weder auf ganz Ecuador noch auf alle Ecuadorianer*innen bezogen werden,
weil es eben nur ein ganz ganz kleiner Ausschnitt von meinem Blickwinkel ist. Ich
bitte euch, das im Hinterkopf zu behalten, wenn ihr von meinen Erlebnissen
lest.
Mir ist das wichtig, weil ich mit meinen Berichten über meinen
Freiwilligendiensten informieren möchte. Ich möchte keinesfalls Vorurteile
bestätigen oder bezwecken, dass ihr einen von mir beschriebenen Ort, eine Stadt
oder eine Eigenschaft der Menschen hier als allgemein gültig betrachtet. Es
ist, wie schon gesagt, nur die Wahrnehmung einer Person, die Fremde in diesem
Land ist und vermutlich aus Unwissen oder Missinterpretation oftmals unbeabsichtigt
Falsches oder Ungenaues schreibt.
Am 23.08. ging es nach langem Packen und Vorbereiten gegen
Mittag los zum Frankfurter Flughafen. Dort habe ich dann Bo und Laura getroffen,
die auch von BeSo entsendet werden und mit mir zusammen nach Ecuador geflogen
sind.
Am Flughafen waren meine Gefühle eine Mischung aus Vorfreude,
Aufregung und Trauer aufgrund des bevorstehenden Abschieds. Außerdem waren wir
alle recht nervös, weil wir deutlich zu viele und zu schwere Gepäckstücke
hatten.
Ich war ausgerüstet mit einem großen Koffer, der 25kg statt
den erlaubten 23kg wog, mit einem großen (ebenfalls zu schwerem)
Wanderrucksack, mit einer Bauchtasche und – natürlich – mit meiner Ukulele (die
als zusätzliches Gepäckstück eigentlich ebenfalls nicht erlaubt war). Außerdem
trug ich aus Platzgründen meine Wanderschuhe, einen dicken Pulli und eine
Fleecejacke an mir.
Nachdem der Herr am Schalter beim Einchecken bei dem
Übergewicht unserer Koffer noch ein Auge zudrückte, verabschiedeten wir uns mit
einigen Tränen von unseren Verwandten und Freunden. Für mich war dieser Moment
einfach surreal, aber trotz der Trauer und der Nervosität fühlte es sich auch
gut an, endlich loszukommen, weil ich mich nun schon so lange auf den
Freiwilligendienst freue.
Weiter ging es mit dem Sicherheitscheck. Als meine Ukulele
gescannt wurde, fragte mich einer der Security-Angestellten, ob das mein
Gepäckstück sei. Er zog sich Handschuhe an und winkte mich zu sich. Dann begann
er, mich nach meinem Zielort und meiner Tätigkeit in Ecuador auszufragen. Als
ich ihm auf die Frage, welches Instrument das sei, antwortete, dass es sich um
eine Ukulele handele, meinte er, ich solle doch die Tasche mal öffnen und etwas
vorspielen. Ich war erst irritiert, weil ich nicht einschätzen konnte, wie
ernst er das meinte. Schließlich folgte ich aber seiner Anweisung. Dabei fiel zwar
auf, dass ich aus Platzgründen in meiner Ukulele-Tasche noch so den ein oder
anderen Pulli oder Schokolade verstaut hatte, aber das Innere meiner Tasche
schien ihn nicht weiter zu interessieren. Ich begann einige Akkorde zu spielen
(die weder zusammen passten noch ordentlich gegriffen waren, da meine Finger
leicht zitterten). Danach bekam ich einen kleinen Applaus von ihm und durfte
die Ukulele wieder einpacken und weitergehen. Ich dachte echt, dass er die
Tasche auf verbotene Substanzen oder Ähnliches untersuchen würde und fand die Situation im Nachhinein ziemlich lustig.
Flughafen Quito - Blick auf die Anden |
Blick auf Quito und Vulkan "Cotopaxi" (rechts) |
Die Flüge von Frankfurt nach Madrid und von Madrid über Quito nach Guayaquil liefen problemlos. In Frankfurt und Madrid sahen wir am Flughafen andere Menschen in unserem Alter, die ebenfalls Wanderschuhe und große Rucksäcke trugen. Schnell konnten wir so erkennen, dass es sich um andere Freiwillige handelte und wir kamen ins Gespräch und tauschten uns ein wenig über unsere Zielorte und Projekte aus.
Als wir an der Hafenstadt Guayaquil im Südwesten Ecuadors landeten, war es nach ecuadorianischer Zeit gerade Morgen. Mit einem herzlichen „Bienvenidos“ und einem Stempel in unserem Reisepass sind wir dann offiziell in Ecuador angekommen. Dieses Gefühl war unbeschreiblich und wir waren alle total aufgeregt.
Vom Flughafen wurden wir direkt von zwei Männern in Empfang genommen, die aus
Italien und Österreich kommen, aber beide schon seit mehreren Jahren in Ecuador
wohnen. Sie betreuen uns während unserer ersten Tage hier.
Kaum sind wir in Ecuador angekommen, erfüllte sich direkt das Klischee, was uns
schon häufig über Ecuadorianer*innen erzählt wurde: Ihre Unpünktlichkeit.
Auf den
Fahrservice, der uns zum Hotel bringen sollte, das fünf Minuten entfernt lag,
warteten wir über eine Stunde, bis wir schließlich einfach ein gewöhnliches
Taxi nahmen. Uns wurde erklärt, dass im Spanischen das Verb „esperar“ nicht
umsonst „hoffen“ und „warten“ zugleich heiße. Diese beiden Zustände hingen wohl
oft zusammen, wobei ich immer mehr merke, dass Unpünktlichkeit nicht unbedingt
nur etwas Negatives ist, aber dazu ein anderes Mal mehr.
Nachdem wir unsere Sachen im Hotel abgestellt hatten,
besichtigten wir nach einem Frühstück die Stadt Guayaquil. Mit einer Gondel
sahen wir große Teile der Stadt von oben und wir erfuhren viel über sie.
Guayaquil ist die Stadt mit den meisten Einwohnern in Ecuador und wird als
„capital comercial“ also als „kommerzielle Hauptstadt“ Ecuadors bezeichnet, da
sie als Hafenstadt ein wichtiger Wirtschaftsstandort ist und außerdem viel
Industrie besitzt. Lustig fand ich, dass ein Sicherheitsschild vor der
Gondelbahn das Tanzen in den Kabinen ausdrücklich verbot. In Deutschland würden
wohl die wenigsten auf die Idee kommen, in der Gondel zu tanzen, aber hier
scheint diese Regel wohl erwähnenswert zu sein.
Später liefen wir noch zu Fuß durch die Stadt und entdeckten
zum Beispiel Leguane, die dort in einem bestimmten Park leben
Gegen Abend kamen wir in unsere Unterkunft und kämpften gegen
unseren Jetlag an, indem wir auf österreichische Freiwillige warteten, die erst
am Abend gelandet sind. Mit ihnen zusammen gingen wir dann gegen 20 Uhr (also
gegen 3 Uhr nach mitteleuropäischer Zeit) in einem Restaurant essen.
Am nächsten Morgen ging es dann mit der ganzen Gruppe weiter nach Cuenca. Auf der Busfahrt dorthin hielten wir am Nationalpark Cajas, an einem Obststand und an einem Aussichtspunkt an.
Nationalpark Cajas |
unser Reisebus |
Aussicht auf die Andenlandschaft |
Obststand am Straßenrand |
Faszinierend war, wie schnell sich die Landschaft auf unserer Fahrt veränderte. Ecuador ist in vier Zonen aufgeteilt. Von Osten nach Westen sind das der Regenwald (oriente), die Andenregion (sierra), die Küste (costa) und die Galapagosinseln. Diese Zonen sind auch in einigen anderen lateinamerikanischen Ländern zu finden, wobei Ecuador die Besonderheit hat, dass man besonders schnell von einer Zone zur nächsten kommt.
Auf unserer etwa vierstündigen Busfahrt starteten wir bei 0m über dem Meeresspiegel an der Küste. Nach einiger Zeit waren bereits Berge am Horizont zu sehen und wenig später befanden wir uns auf bis zu 4500m über dem Meeresspiegel. Immer wenn man dachte, dass es nun wirklich nicht mehr höher gehen kann, kam ein neuer Gipfel in Sicht. Das war wirklich beeindruckend.
Unser Zielort und mein aktueller Aufenthaltsort ist in der
Nähe der Stadt Cuenca und liegt auf etwa 2700 m Höhe. Das ist schon hoch genug
fürs Erste und man merkt beim Aufstehen oder bei leichtem Sport schnell ein
leichtes Schwindelgefühl. Außerdem sind die Temperaturschwankungen unfassbar.
Nachts hatte es gestern 6°C draußen und leider war die Temperatur drinnen auch
nicht viel wärmer. In Fleecejacke und Wollsocken schlief ich unter drei Decken
mehr oder weniger warm. Heute war es tagsüber aber in der Sonne so warm, dass
ich am liebsten ein T-shirt angehabt hätte. Die Sonne fühlt sich hier aufgrund der Nähe zum Äquator besonders warm an.
Bo und ich am Eingang des Seminarhauses |
Wir leben hier nun in einem Seminarhaus und verbringen drei
Tage gemeinsam. Dabei werden teils auf Spanisch teils auf Deutsch verschiedene
Themen behandelt und wir können letzte Fragen zum Leben in den Gastfamilien, zu
Sport – und Reisemöglichkeiten oder zur Sicherheit stellen.
Außerdem wird alles durch Spiele und gemeinsame Aktivitäten
aufgelockert.
Am Samstag fahren wir alle nach Cuenca, wo ich für eine Woche
einen Sprachkurs machen werde. In dieser Zeit wohne ich vorübergehend bei einer
Gastfamilie aus Cuenca. Nach dieser Woche geht es für mich dann (endlich) nach
Saraguro an meinen eigentlichen Wohnort.
Aktuell bin ich noch total überwältigt davon, in Ecuador zu sein. Es gibt so
viel zu entdecken und ich genieße es und versuche, alles aufzunehmen. Vieles
muss ich noch verarbeiten und ich glaube, es wird noch einige Zeit dauern, bis
ich wirklich verstanden habe, dass ich nun hier leben werde.
Ganz liebe Grüße nach Deutschland :)
Kommentare
Kommentar veröffentlichen